Vorsatz 2025 - Endlich mal fremdgehen!?

Liebe Patientinnen und Patienten,

das neue Jahr bringt bekanntlich neue Vorsätze – und wer kennt ihn nicht, den Klassiker nach 3 Gläsern Schampus: 
Endlich mal fremdgehen?!
Bisschen mehr Hedonismus im grauen Alltag? Warum eigentlich nicht?!“,
YOLO!
Keine Sorge, nicht so, wie Sie jetzt vielleicht denken. Vielmehr geht es um Angebote u.a. der BARMER-Krankenkasse,
die mich zum Nachdenken gebracht haben. Die BARMER-Krankenkasse lädt u.a. Sie dazu ein, bei gesundheitlichen „Kleinigkeiten“ digital auf ihren neuen Teledoktor zu setzen.
Das klingt modern, effizient und vielleicht sogar ein bisschen… aufregend?
Ein Fremder, eine Fremde, der/die Sie in Sekundenschnelle digital berät, Ihnen digital die Arbeitsunfähigkeit besorgt.
Vielleicht sogar jedes mal eine andere unbekannte Person - vor Ihrem geistigen Augen ein strahlend weißer Kittel, ein glänzendes Stethoskop
und in der gut definierten Hand die in verschiedenen Grau-Schattierungen daherkommende Blutdruckmanschette?!
Das hat doch was von Heavy-Speed-Dating im Gesundheitswesen, oder?

Und das ist sicherlich alles nur der Anfang im Gesundheitsmarkt.
Die wirklich wilden Partys kommen noch.
Menschen, die sich sowas ausdenken sind ganz anders sozialisiert.
Die sind aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt.
Deren BWL-StudiVZ- und Healthcare-Management-Turn-Around-Pareto-Prinzip-Betriebsweihnachtsfeier-Afterpartys sahen und sehen
vermutlich ganz anders aus, als das was wir Mauerblümchen so gewöhnt sind.
Da würden nicht nur HNO-Patienten die Ohren glühen. Nun, wie Sie wissen, befinde ich mich mit meiner Praxis im verflixten siebten Jahr.
Unsere Arzt-Patienten-Beziehung befindet sich im verflixten siebten Jahr.
Man könnte also sagen, dass unsere Beziehung in eine Phase kommt,
in der andere Verlockungen attraktiv wirken könnten –
zumindest aus der Sicht Ihrer Krankenkasse.
Aber ich bin ehrlich: Ich bin ein monogamer Arzt.
Sie denken jetzt vielleicht "LAAAANGWEILIG!!"
Was mich an dieser digitalen Affäre stört, ist Folgendes: • Die Teledoktoren beraten Sie bei den “Kleinigkeiten”: Husten, Kratzen im Hals, Kopfschmerz nach Kohltour
und füllen einen Gelben Schein aus. Für diese charmanten Flirts kassieren die Tele-Kollegoiden natürlich
auch die 3-Monats-Versichertenpauschale. Ka-ching!
Und wenn Sie eine Wochen später noch mal einen Wunsch haben, werden Sie vermutlich mit einem anderen Teledoc verbunden.
Der rechnet dann wieder eine 3-Monats-Versichertenpauschale ab. Ka-ching. Und nochmal Ka-ching!
• Wenn dann allerdings ernsthafte Erkrankungen, komplizierte Verläufe oder echte Sorgen ins Spiel kommen, werden Sie sich
vermutlich nicht an McQuickyDoc wenden, sondern an mich.
Oder all die Reha-Anträge, anstrengenden Fragebögen des Landesamts für Soziales, all der nervige Papierkram.
Die Masse an Fragebögen füllt keiner dieser Online-Spezis am Wochenende aus.
Die anstrengenderen Parts unserer Beziehung bleiben also mir überlassen.
Wären Analog-Arzt und Digital-Doc in einer klassischen Partnerschaft, würde man sagen:
Der eine macht den Haushalt, und der andere geht aus zum Tanzen. Ich frage mich: Ist das fair? Kann man so wirtschaftlich eine Praxis führen?
Nein!
Das wäre wie online eine Kugel Eis bestellen für `nen Fuffi auf Gemeinschaftskosten.
Per Smartphone 'nen Döner liefern lassen für `nen Fuffi.
Und dann für das große Festbanquett das Essen vom Fleisch- und Feinkostgeschäft vor Ort liefern lassen
und das Ganze mit `nem Fünfzig-Euro-Schein bezahlen wollen.

So läuft das nicht!
Dann sind Arztpraxis und Schlachter ganz schnell geschlossen.
Wenn wir nur noch auf Klasse, und nicht mehr auch auf Masse setzen können, ist so eine Praxis nicht zu führen
unter den aktuellen Abrechnungsbedingungen.
Dann ist Ende mit Landausflug.
Ich seh mich dann mit meiner Familie in der Karibik als DND (Digital Nomad Doc) mit Headset auf dem Kopp
und Coco-Loco-Cocktail in der Hand.
Mit dem Tablet unter Palmen.
Unverbindliche, wechselnde Arzt-Patienten-Beziehungen auf der ganzen Welt.
Yeah, baby, yeah!
Auch nicht ganz unattraktive Vorstellung für meine Zukunft. Ich möchte ganz ehrlich mit Ihnen sein:
Sollte ich feststellen, dass ich als Hausarzt zunehmend von polyamourösen Patientinnen und Patienten umgeben bin,
die mal hier und mal dort digitale Serviceangebote annehmen, könnte dies Konsequenzen haben.
Vielleicht ist es dann an der Zeit, unsere Arzt-Patienten-Beziehung zu überdenken.
Schließlich basiert jede gute Beziehung auf Vertrauen – ein bisschen Monogamie schadet nie.
Die meisten meiner Patientinnen und Patienten sind treu.
Andere sehen das ganze etwas lockerer, sind vielleicht auch selten krank
und können sich gar nicht vorstellen auf ärztliche Hilfe angewiesen zu sein.
Sowas kann aber ganz überraschend passieren. Natürlich möchte ich den lockeren Leuten nichts verbieten.
Sie sind frei, Ihre Krankenkassen-Angebote zu nutzen, wo immer Sie wollen.
Aber seien Sie sich bewusst, dass ich jeden Flirt mit einem Teledoktor genau beobachten werde. In diesem Sinne wünsche ich allen einen gesunden Start ins Jahr 2025.
Bleiben Sie mir treu – oder informieren Sie mich rechtzeitig, wenn Sie andere Pläne haben. Mit einem Augenzwinkern, Ihr (hoffentlich exklusiver) Hausarzt Dr. Florian Steiner Hausarztpraxis in Tarmstedt PS: lassen Sie sich nicht via elektronische Patientenakte in flagranti erwischen
- welche Schande auf dem Lande.
Aber keine Sorge, ich werden meinen Reflexhammer nicht als Nudelholz missbrauchen,
sondern mich dann zurücklehnen und von den Fremdgängern und Fremdgängerinnen zu Adeles Song
Someone Like You“ verabschieden.
Es gibt da draußen so viele Singles, die sich nach einer monogamen Arzt-Patienten-Beziehung sehnen. Munter bleiben! :)