Der Notaufnahme-Drilling

Die Strukturierte Diagnoseliste für jeden Patienten: etwas, was wir seit > 10 Jahren alle haben sollten, und die ePA als eierlegende Wollmilchsau vorgibt, irgendwann zu schaffen. Technisch kein Problem. Wie der Bundeseinheitliche Medikationsplan (eine seltene, wirklich sinnvolle technische Innovation der letzten Jahre im Praxisalltag) hätte man leicht eine strukturierte Diagnoseliste entwickeln und einführen müssen. Jetzt kommt die ePA. Im Notfall ist eine vollgeladene,  elektronische Patientenakte so sinnvoll wie 17 mit Patientendokumenten vollgestopfte Leitz-Ordner. Wobei man einen Leitz-Ordner rasch durchblättern kann. Am PC dauert dies alles viel zu lange, Das liest kein Mensch! Wir brauchen eine knapp Übersicht, möglichst auf einer DIN A4-Seite. Der Rest wird nur gescannt, gespeichert und verschickt. KI kann das natürlich auslesen. Wissenschaft mag sich freuen. Die Industrie feiert. Solange aber Menschen Patienten akut behandeln, wird nur strukturierte, komprimierte, knappe Information gelesen und kommt den Patienten zugute.

Der Notaufnahme-Hattrick (1-2-3)

Versichertenkarte - Medikationsplan - Blauer Bogen 

 

1.) Versichertenkarte

2.) Medikationsplan (BMP, auf Aktualität achten)

3.) Blauer Bogen (Praxiseigenheit auf blauem festen Papier: Diagnoseliste, Allergien sowie Impfstatus auf der Rückseite)

 

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Der Doppelte Hattrick (4-5-6)

Überweisung - Vorbefunde - Patientenverfügung (...)

2. Halbzeit - Doppelt hält besser - 3 weitere Punkte (siehe ganz unten). 

 

 

4.) Überweisung

5.) Vorbefunde (Laborwerte, Arztbriefe, CDs mit z.B. CT-Bildern)

6.) Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, ggf. Betreuungsverfügung

 

 

Ärztinnen und Ärzte in Notaufnahmen und auch Fachärztinnen und Fachärzte haben immer weniger Zeit. Angenommen im Notfall hat man in der Notaufnahme 30 Minuten Zeit für Sie, braucht aber 25 Minuten für das Erfragen von chronischen Erkrankungen,  Voroperationen, Allergien und der Dauermedikation (die berühmt-berüchtigte rote-blaue-weiße-Pillen-Raterunde): dann bleiben 5 Minuten für das eigentliche Problem. Ähnlich kann es in der Facharzt- oder einer Vertretungspraxis sein. Je weniger Zeit für den eigentlichen Vorstellungsgrund, desto schlechter die Versorgung.

 

Versuchen wir gemeinsam das Verhältnis umzudrehen. Je besser Sie vorbereitet sind, desto besser kann man Ihnen helfen. Und glauben Sie mir - überarbeitete Kolleginnen und Kollegen sind deutlich motivierter, wenn Sie vorbereitet sind. Dies erhöht die Versorgungsqualität und kommt damit Ihrer Gesundheit zugute.           

Die Versichertenkarte bei gesetzlich versicherten Patienten kann eingelesen werden, Stammdaten stehen zur Verfügung, ggf. können Vorbefunde eingesehen werden. Auch wird so vermieden, dass es plötzlich zwei parallel laufende Patientenakten gibt. So erleichtern Sie dem Personal vor Ort die Arbeit und Sie sind besser versorgt. 

Der Bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) ist eine sehr sinnvolle und hilfreiche Innovation im Rahmen der Digitalisierung. Er ist übersichtlich, einheitlich und kann leicht eingelesen werden im Notfall. Sie glauben gar nicht, wie viel schief laufen kann in Notfallsituationen, wenn diese Pläne fehlen. Medikamente werden verwechselt, Dosierungen und Einnahmefrequenz stimmen nicht, alte Pläne aus Voraufenthalten werden als Notbehelf herangezogen. Immer wieder habe ich gesehen, dass Medikamente doppelt verschrieben wurden, weil die Pharmafirmen-Werbenamen unterschiedlich waren bei gleichem Wirkstoff. Alle Tabletten waren gelistet, aber das Insulin fehlte und die Drei-Monats-Spritze war auch niemandem bekannt, usw. Wenn Sie alte Pläne haben, werfen Sie diese weg oder streichen Sie sie durch mit dem Vermerk "Alt!". Wenn im Notfall ein Plan in der Wohnung herumfliegt, wird der gerne genutzt. Vertrauen Sie nicht darauf, dass Sie alle Ihre Medikamente auswendig kennen. In einer stressigen Notfallsituation vergessen Menschen recht viel. Im Falle einer Bewusstlosigkeit fällt das Erinnern besonders schwer. Ich hatte Situationen in Notaufnahmen mit bewusstlosen Patienten, ohne dass ich die Vormedikation kannte. Genau erinnere ich mich an Anrufe bei Praxen mit der Bitte um sofortige Durchgabe der lebenswichtigen Medikation, und ich wurde in seltenen Fällen mit Hinweis auf Datenschutzgründe klipp und klar abgewiesen. Auskunft, dass mein bewusstloser Patient in diesem Moment  keine Schweigepflichtentbindung unterschreiben kann, Hinweis auf Rechtsgüterabwägung, ärztliche Anordnung, unterlassene Hilfeleistung usw. waren nicht immer erfolgreich. Dies kann übel ausgehen, wenn z.B. jemand eine sog. Duale Plättchenhemmung (DAPT) mit ASS und Ticagrelor einnimmt, dies aber nicht  bekannt ist.  

Blauer Bogen: über die letzten sechs Jahre habe ich für jede Patientin und jeden Patienten -so gut es geht- Vorinformation zusammengefasst. Wichtig war das Ausfüllen des Praxis-Patientenfragebogens durch Sie oder durch Ihre Angehörigen. Des Weiteren kamen im Laufe der Zeit durch ausführliche (Erst-) Gespräche, Arztbriefe und Neudiagnosen weitere wichtige Information zusammen. Leider werde ich es nicht schaffen, sämtliche Patientenakten akribisch durchzuarbeiten, dies sind mehrere 1000 Akten mit teilweise sehr vielen Seiten. Ich bin aber weiterhin dran. Der Blaue Bogen ist eine lose Auflistung von Allergien (01.01.1901 !, sodass diese immer oben stehen), Vorerkrankungen und Operationen. Auf der Rückseite steht die Impfübersicht in chronologischer Reihenfolge. So ein Blauer Bogen ist nie vollständig, nie 100% korrekt, niemals abgeschlossen. Sie entwickelt sich immer weiter fort. Es ist eine Übersicht, die ich mir beim Arbeiten auf Station und in der Notaufnahme häufig gewünscht habe. Ich habe nie verstanden, warum immer wieder Patientinnen und Patienten mit gar keiner Information zu mir kamen und ich dann bei Null anfangen musste. 

 

Warum wir nach vielen Jahren Digitalisierung noch nicht einen Bundeseinheitlichen Diagnoseplan entsprechend Bundeseinheitlichem Medikationsplan haben, ist mir schleierhaft. Es wird m.E. auf wenig für uns Praktisches bei der Digitalisierung gesetzt, während man schon längst die Basisfunktionen hätte schaffen können. So ein Bundeseinheitlicher Diagnoseplan wäre eine einfache und preiswerte Lösung zu einem großen Problem. Statt dessen eiern wir seit vielen Jahren digital durch die Gegend, verbrennen Geld und Nerven während Länder wie Dänemark und Estland uns um Meilen voraus sind. Und nein, weder Datenschutz noch Blockadehaltung von Ärztinnen und Ärzte sind an allem Schuld! Man sollte eine solide Basis schaffen, statt nach der eierlegenden Wollmilchsau zu suchen, und schon gar nicht darf man den Bock zum Gärtner machen! Immer mehr entsteht bei mir der Eindruck, dass weder Optimierung der Patientenversorgung noch die Erleichterung der ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der Digitalisierungsanstrengungen oberste Priorität haben. Also nutzen wir hier bei uns in der Praxis die haptische Alternvative zur elektronischen Patientenakte - den Blauen Bogen. Das ist bewusst Old-School. Bewusst auf eine DIN A4-Seite beschränkt, da uns der zukünftige schlecht sortierte Datenwust erdrücken wird. Blau und auf festem Schreibwarengeschäft-Tarmstedt-Papier, damit er als Patienteneigentum erkannt wird und nicht im Stapel bei einem Arzt verschwindet, später gescannt imd geschreddert wird und im Datennirvana untergeht - und der Patient wieder mit leeren Händen dasteht. Wie  - mit einem Anflug von Humor geschrieben - oben zu lesen ist, funktioniert dieser Blaue Bogen auch bei Stromausfall und kann per Kugelschreiber ein update zu jeder Tageszeit erhalten, ohne dass wir ständig hier und da eine weitere Gebühr entrichten müssen.    


Der Notaufnahme-Hattrich ist der Goldene Stardard - Die Basis - es geht aber noch besser: 

Doppelt hält besser - 3 weitere Punkte, die sich lohnen, beachtet zu werden: 

 

4.) Überweisung

5.) Vorbefunde (Laborwerte, Arztbriefe, CDs mit z.B. CT-Bildern)

6.) Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, ggf. Betreuungsverfügung

                       

4) Überweisung: bei Facharztpraxisbesuchen: denken Sie an eine Überweisung. Nur dann kann ich eine Fragestellung darauf schreiben und erhalte auch einen Arztbrief. Als Ihr Hausarzt möchte ich informiert sein. Es ist sinnvoller einmal mit klarer Fragestellung beim Facharzt vorstellig zu werden, also zweimal "zur Routine-Kontrolle".  Bei gesetzlich Versicherten funktioniert dies mit den Überweisungen recht gut. Einigen Privatversicherten scheint diese nicht bekannt zu sein, da sie offiziell keine Überweisung benötigen. Aber auch hier lohnt sich eine Überweisung. So bin ich umfassend informiert, was selten schadet und ggf. kann so auch hier und da mal eine Überversorgung erkannt werden.

 

Eine Überweisung ist gültig im selben Quartal bis zum Ende des Folgequartal, z.B. kann eine Überweisung vom 10. Oktober 2023 bis zum 31. März 2024 benutzt werden. Nur wenn Sie z.B. im 4. Quartal  (4/2023) schon mal beim selben Arzt waren, brauchen Sie immer eine von dem dann aktuellen Quartal (in unserem Beispiel 1/2024) eine weitere. Immer noch gibt es an Anmeldungen die Auskunft, dass die Überweisung "abgelaufen" sei, da Sie vom Vorquartal ist. Wenn Sie aber im letzten Quartal nicht dort waren, gilt die Überweisung. Warum aber wird dies dennoch so häufig moniert? Ein Grund kann sein, dass früher die Computersysteme diesen Quartalssprung nicht akzeptiert haben. Dieser Computer-Bug ist aber lange behoben, man muss nur das korrekte Quartal eingeben bei der Patientenvorstellung. Merke: eine Überweisung gilt meist länger als man glaubt. Dass man eine Versichertenkarte noch einmal einlesen kann, ist kein Grund für ein kompliziertes Vorgehen. Außerdem haben weder Krankenkassen noch Bäume ein Interesse daran, wenn am 30. September in Deutschland 100.000 Überweisungen ausgedruckt werden, und man die Prozedur am 01.Oktober 100.000 x wiederholt.   

 

5) Vorbefunde. Je nach Fachrichtung sind die Vorbefunde wichtig. Letzter Laborausdruck sowie ein alter Vergleichswert z.B. Der Kardiologe freut sich über die Cholesterinwerte, der Nephrologe über Kreatin- und GFR-Verlauf. cRöntgen, MRT- und CT-Bilder sollten auf CD mitgenommen werden. Alte Arztbriefe können von Interesse sein. Vermeiden Sie aber Kolleginnen und Kollegen ganze Aktenordner auf den Tisch zu knallen. Hier ist weniger meist mehr. Das wird uns m.E. noch im Rahmen der Digitalisierung auf die Füße fallen. Ich befürchte, dass wir uns mit semiautomatisch übermittelten Daten gerade zumüllen und uns so ablenken werden. Das kritische Zusammenfassen, Analysieren und Bewerten von Symptomen und Befunden, die Diagnostik und Therapie und somit die Prognose beeinflussen, die eigentlichen Aufgaben eines Arztes, läuft meines Erachten Gefahr noch weiter in den Hintergrund zu treten. 

  

6) Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, ggf. Betreuungsverfügung

 

Ein sehr wichtiges Thema! Jeder sieht diese Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Ein Notarin wird auf einige Punkte wert legen, die eine Patientenschutzorganisation anders gewichtet und ein Ethiker bewertet Situationen noch einmal anders als ein Pastor oder die Hausärztin. Und Patientinnen und Patienten und deren Angehörige, um die es geht, sind nicht selten verunsichert, dabei wollen die meisten Menschen sehr ähnliches "Man soll tun, was sinnvoll ist und nicht was medizinisch maximal möglich ist, und wenn man irgendwann am Ende des Lebens angekommen ist, möchten Menschen möglichst frei sein von Schmerz, Angst, Übelkeit und Luftnot und dann mit guter Pflege in einem möglich angenehmen Ambiente versterben dürfen". Hier meine ganz persönliche Meinung, die weder korrekt noch in Stein gemeißelt ist: es wird sehr viel über Patientenverfügungen etc. gesprochen. Man befasst sich intensiv mit Details. Die Dokumente werden teilweise online hinterlegt, vom Notar beglaubigt, man hat sich den Kopf über einzelne mögliche Situation zerbrochen. Was aber gerne übersehen wird: Diese Dokumente müssen im Notfall vorliegen!

 

Etliche Male habe ich mir in der Notaufnahme oder auf Intensivstation eine Patientenverfügung gewünscht, nur wenige Male lag sie rechtzeitig vor, wenn man sie brauchte. In einer Notaufnahme stehen Sie weder vor Gericht noch vor einer Ethikkommission noch surft jemand im Netz für Sie nach einer Patientenverfügung. Im Notfall geht es schnell. In kritischen Situationen wird ggf. noch rasch gefragt, ob eine Patientenverfügung vorliegt und falls nicht, wird in den meisten Fällen Maximalmedizin gemacht, egal was Verstand oder Bauchgefühl sagen. Dies geschieht auch nicht selten, wenn man als Behandler eine Maßnahme als wenig zielführend einschätzt. Keiner von uns kann hellsehen, jeder hat sog. medizinische Wunder erlebt. Es ist leichter zu machen, als etwas zu unterlassen. Es geht schneller, einen Menschen zu intubieren und an die Beatmungsmaschine anzuschließen, als den Patientenwillen zu eruieren. Außerdem wird sich fast jeder rechtlich absichern wollen, was nicht selten dazu führt, dass Maßnahmen ergriffen werden, die dem in der akuten Situation dann nicht bekannten Patientenwillen entgegenstehen.

 

Fazit: rechtliche Situation hin oder her - meine ganz private Empfehlung (Riesen-Disclaimer etc. pp) ist - kümmern Sie sich um eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, ggf. Betreuungsverfügung! Geben Sie sich Mühe, holen Sie sich Hilfe. Geben Sie Ihren Freunden und Angehörigen eine Kopie. Sprechen Sie mit Freunden und Angehörigen über Ihren Willen. Wir haben hier in der Praxis extra einen PV/VV/BV-Ordnung, reichen Sie uns gerne eine frisch unterschriebene Kopie rein. Unterschreiben Sie die Dokumente jedes Jahr an Weihnachten, um zu zeigen, dass es weiterhin Ihr Wille ist. Und bitte bitte, nehmen Sie zumindest eine Kopie mit zu jeder Notfallvorstellung, zu jeder Operation. Es ist immer gut, vorbereitet zu sein. Nicht jedem ist es gegönnt, irgendwann zuhause sanft im Beisein der Angehörigen einschlafen zu können.  Wie gesagt - das was ich hier schreibe ist rechtlich alles nicht bindend etc., das ist mir bewusst. Dies ist meine subjektive Sicht auf die Dinge - Ihr Wille muss bekannt sein, damit er umgesetzt wird! Kommunizieren Sie Ihren Willen und legen den schriftlich fest. Selten wird zu wenig gemacht. Eher wird zu viel gemacht, wie wir leider immer mal wieder sehen müssen, wenn z.B. dementen Patienten am Ende Ihre Lebens gegen ihren Willen Flüssigkeitsinfusionen gegeben werden oder gar eine PEG (Magensonde durch den Bauch) gelegt wird. Auch hier: Machen geht schneller als Nicht-machen. Eine Unterschrift einer überforderten angehörigen Person unter einer PEG-Anlage-Aufklärung hat man schneller als das Anfordern, lesen und interpretieren einer Patientenverfügung, Eruierung des Patientenwillens im Gespräch sowie Aufklärung von Angehörigen, warum man sich gegen eine Maßnahme entscheidet. Sie machen es auch Ihren Angehörigen viel leichter, wenn die genau wissen, was Sie im Falle eines Falles wünschen!

 

Zusammenfassung: 

Die Basis-Dokumente, die Sie im Notfall oder beim Facharzt dabei haben sollten: 

1.) Versichertenkarte

2.) Medikationsplan (BMP, auf Aktualität achten)

3.) Blauer Bogen (Praxiseigenheit auf blauem festen Papier: Diagnoseliste, Allergien sowie Impfstatus auf Rückseite)

 

Wünschenswert und Sinnvoll sind des Weiteren: 

4.) Überweisung

5.) Vorbefunde (Laborwerte, Arztbriefe, CDs mit z.B. CT-Bildern)

6.) Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, ggf. Betreuungsverfügung

 

Herzlichen Dank!